Bayerische Postkartenidylle – Der Landkreis Starnberg

„Wer arm ist, muss wegziehen“
In der Prognos-Studie nimmt der Landkreis Starnberg Rang 3 ein, gleich hinter der Landeshauptstadt und dem Landkreis München. Der Blick auf den See und auf die nahe gelegenen Alpen zieht viele Wohlhabende hierher. Doch die hohe Lebensqualität hat ihren Preis.

Wenn die S-Bahn aus München kommend um die Kurve quietscht, öffnet sich ein gigantischer Blick auf den Starnberger See: Zu Füßen das Wasser und zum Greifen nahe, direkt dahinter die Alpen. Selten ist Ankommen so schön wie in Starnberg.

„Schauen Sie, Sie haben das Gefühl, die Zugspitze ist hinterm See. Wenn wir Fön haben, dann haben sie wirklich das Gefühl, der See geht direkt bis an die Gebirgskette. Das ist dann Lebensqualität, aber das kann man nicht in Euros umrechnen, das ist gefühlsmäßig.“

Der liebe Gott, sagen die Einheimischen, habe hier aus dem Vollen geschöpft: der Himmel ist blauer, die Wiesen grüner, die Euter der Kühe fetter. Und die Menschen sind glücklicher:

„Die ganze Art der Menschen hier, sie sind einfach fröhlicher hier, weil sie den See und die Berge haben. Die Leute sind offen und reden gerne miteinander und sitzen gerne in Caféhäusern. Ein bisschen italienisches Flair ist auch hier. Es ist halt ruhiger hier und trotzdem ist man vor den Toren Münchens.“

Biergärten mit Berggipfel-Panorama, blumengeschmückte Bauernhöfe, Zwiebeltürme auf den Kirchen – im Landkreis Starnberg ist oberbayerische Postkartenidylle Realität. Schwärmt Manfred Mayer. Nur 25 Kilometer südlich von München.

„Es ist ein kleines Paradies. Sie sind in einer halben Stunde im Auto entweder von Starnberg in München oder umgekehrt. Hier leben viele Berufstätige, die in München arbeiten und die sich hier dann später zur Ruhe setzen. Die es geschafft haben, es im Leben zu etwas zu bringen und die sich hier dann auch das Leben leisten können.“

Lebensqualität hat ihren Preis. Die Global Player mit Sitz in München mieten in Seenähe Villen für ihre Führungskräfte an: für monatlich bis zu 10.000 Euro Miete. Meyer kann es sich leisten. Er ist Ehrenpräsident des Bayerischen Yachtclubs. Ein Traditionsverein, dem mit Herzog Franz von Bayern noch heute eine Königliche Hoheit als Ehrenkommodore vorsteht. Einst kamen die Wittelsbacher zur Sommerfrische; heute zieht es Geld und Prominente an den See, weiß dieser Straßenarbeiter.

„Lauter Millionäre sieht man da. Wenn ich da so schaue: Porsche, Mercedes, Rolls Royces fahren da umher, größere Geländewagen, ja das sieht man schon.“

Manches Klischee hält ewig. Und im Fünfseenland – wie die Gegend genannt wird – stimmt es: Wer in einer, hinter hohen Hecken versteckten Villa wohnt, für den ist Reichsein eine Selbstverständlichkeit. Laut einer Statistik leben im Landkreis pro 10.000 Einwohner zwölf Einkommensmillionäre; im Durchschnitt sind es zwei. Manfred Meyer spricht nicht über Geld beim Kaffee auf der Sonnenterasse vor dem Yachtclub. Nur Mitglieder haben zum clubeigenen Restaurant Zutritt.

„Die Menschen, die hier leben, die sind viel informierter, die sind teilweise auch besser gebildet, die haben eine bessere Ausbildung genossen. Die haben Unternehmen in München gegründet oder sind in leitende Positionen gekommen. Immer ein bisschen besser sein als der Durchschnitt. Und das ist wahrscheinlich hier der Grund, warum der Landkreis erfolgreicher ist als anderswo.“

Die Arbeitslosenquote mit 3,8 Prozent liegt weit unter bayerischem Durchschnitt. Den Fremdenverkehr, viele mittelständische Betriebe und eine Branchenvielfalt von der Medizin- bis zur Biotechnologie – nennt Landrat Heinrich Frey als Gründe für die guten Daten. Ãœber 128.000 Menschen leben im Landkreis. Der Zuzug hält unvermittelt an: Bis 2020 rechnet man mit einem Bevölkerungswachstum von zehn Prozent. Für den Landrat auch ein Problem.

„Man muss bei der Bauerei, bei der Siedlungspolitik und der Städtebauentwicklung auf ein ausgewogenes Verhältnis schauen. Und das bereitet oft Schwierigkeiten, wenn etwa Gewerbetreibende kommen, um ihre Firmen hinzustellen, da muss schon der Ort passen. Ich denke, dass wir acht geben müssen auf unsere wunderschöne Landschaft, mit der wir vernünftig umgehen müssen. Aus der wir was machen müssen, aber auf vernünftige Art und Weise.“

Zumal seine Kaufkraft-verwöhnten Bürger anspruchsvoll sind. Wer hier lebt, hat das Paradies abonniert. Und scheut Veränderungen, die ihn in seiner Ruhe stören könnten. Überhaupt hat das Leben am See auch seine Schattenseite, die man nur vom Normalbürger auf der Straße erfährt:

„Gegen die Lebensqualität spricht beispielsweise der Verkehr, die Stadt ist vom Verkehr überrollt. Auch das Preisniveau. Und nehmen Sie die Mieten. Wer kann sich hier in Starnberg auf dem freien Wohnungsmarkt eine Miete leisten? Kein Mensch. Das ist fast nicht möglich. Oder beide jungen Leute gehen malochen, also arbeiten. Aber dann bleibt die Familie zurück.“

Wer wirklich arm ist, muss der gehobenen Preise wegen ohnehin wegziehen. Er wird nie mithalten können mit dem Lebensstandard am See.