30 Jahre K̦nig-Ludwig-Weg РEin Traum zum Wandern

Da, wo der «Kini» am 13. Juni 1886 sein mysteriöses Ende fand, ist der Anfang. Ein schlichtes Holzkreuz im Starnberger See und die Votivkapelle im Schlosspark von Berg erinnern an den plötzlichen Tod des Bayernkönigs Ludwig II. (1845-86). «Vielleicht suchte er den Freitod. Oder er wurde aus dem Weg geräumt. Bis heute sind die Umstände seines Todes ungeklärt», sagt Franz Walk. Weder das Haus Wittelsbach, das Bayern über 700 Jahre regierte, noch der Tourismusverband seien wirklich an einer Aufklärung interessiert. Denn der Mythos lebt und lockt jährlich Millionen Besucher, Ludwigs Träumen zu folgen, freut sich der Gästeführer. Seit nunmehr 30 Jahren führt der König-Ludwig-Weg vom Starnberger Fünf-Seen-Land über den oberbayerischen Pfaffenwinkel bis zum Königswinkel im Ostallgäu. Und am Ziel der Route wartet das Märchenschloss. Zunächst aber führt der Uferweg nach Starnberg, was nicht ganz hält, was es als Sitz vieler Millionäre verspricht. Weiter geht es durch die Maisinger Schlucht zum Heiligen Berg mit dem Kloster Andechs. Es rühmt sich, mehr Besucher als das Märchenschloss Neuschwanstein zu haben. Das kann nur an den sieben Sorten Klosterbier liegen. Auch Franz schwärmt für Andechs-Spezial und die deftige Hausmannskost. «So manch einem, der die 20 Kilometer der ersten Etappe geschafft hat, wurde das süffige dunkle Doppelbock zum Verhängnis», erinnert er sich. Beim Abstieg durch das Kiental zur Anlegestelle in Herrsching ist schnell mal der Schaufelrad-Dampfer verpasst, der die Gäste über den Ammersee zum Künstlerort Dießen bringt. Zinngießerwerkstätten und Marienmünster lohnen einen Besuch. Nicht überall ist «Kini» drin, wo er drauf steht, wird gewitzelt. «Der König-Ludwig-Weg schafft lediglich eine Verbindung zwischen der Landschaft, die der König liebte, und den kulturellen Schätzen, die sie in sich birgt», klärt Franz auf. Der herrliche Blick vom Hohen Peißenberg zurück zum Ammersee und auf die Alpenkette mit 80 Berggipfeln inspiriert auch ohne «Kini» zum Träumen. Neben der ältesten Wetterwarte Deutschlands steht dort eine Wallfahrtskirche. Als sehenswertes Juwel gilt die Gnadenkapelle. Schließlich gehört die mit 988 Metern höchste Erhebung im Voralpenland zum Pfaffenwinkel, der seinen Namen den Mönchen, Nonnen und Pfaffen der zum Teil weltberühmten 159 Kirchen und zahlreichen Klöster zwischen Landsberg und Füssen verdankt. Weiter geht es durch die Ammerschlucht, den Grand Canyon Oberbayerns. 460 Stufen, Stege und kleine Brücken sind zu bewältigen. Die Schläge eines kleinen Hammerwerks mischen sich mit dem Ruf des Kuckucks und dem Rauschen des wildromantischen Flusses. Vorbei an Pferdekoppeln und Kuhweiden wird schließlich das Klosterdorf um das ehemalige Augustinerchorherrenstift Rottenbuch erreicht. Außerhalb der Anlage, einem Schmuckstück des Rokoko, leuchtet über einem Tor das Medaillon des Königs. Sein Adjutant, Graf Dürckheim, der sich hier ein Schloss bauen lassen wollte, hatte es angebracht. Der «Kini» schaut in Richtung seiner geliebten Berge, denen man auf dem König-Ludwig-Weg mit jeder Etappe ein Stück näher kommt. Die Käse-Brotzeit auf der Schönegger Käse-Alm oberhalb der Echelsbacher Brücke schmeckt dann nicht nur den Wanderern. Mit etwas Glück findet gerade das Schaukäsen statt. Und wieder sind es Klosterdorf und Wallfahrtskirche, die eine Rast rechtfertigen. Das Dach der Wieskirche bei Steingaden mit UNESCO-Welterbe-Status wurde der Bergsilhouette nachempfunden. 1738 soll sich hier bei der Bäuerin Maria Lory vom Wieshof das Tränenwunder des Gegeißelten Heilands ereignet haben. Von diesem Meisterwerk des Rokoko führt der Brettlesweg, ein 1000 Meter langer Pfad aus Eichenbohlen, durch eine beeindruckende Hochmoorlandschaft direkt ins Welfenmünster von Steingaden. Dass der «Kini» im Gasthof zur Post übernachtete, ist allerdings nicht zu belegen. Am Lech und am Bannwaldsee entlang, dem angeblich wärmsten See Bayerns, rückt das Ziel endlich näher. Der romantischste Aufstieg zum Märchenschloss ist der Weg durch die Pöllatschlucht. Die Fußlahmen lassen sich mit der Kutsche fahren. Auf der Marienbrücke drängeln sich alle Touristen, um Neuschwanstein von seiner besten Seite zu fotografieren. Das Schloss blieb unvollendet. Der «Kini» lebte nur 172 Tage in seinem Traum. Sofort nach seinem Tod wurde es Museum und Wallfahrtstätte. Gästeführer Franz, der gelernte Holzschnitzer, weiß besonders die Innenausstattung zu schätzen. «Er war nicht verrückt, vielleicht ein bisschen weltfremd und menschenscheu», ist er überzeugt. Die Traumgebilde, die er schuf, wie Neuschwanstein und Linderhof, erwirtschaften heute als Tourismusobjekte erhebliche Gewinne. «Damit ist König Ludwig indirekt auch mein Arbeitgeber», lacht der 61-Jährige. Die Ikone des Bayerntourismus liegt wie Schloss Hohenschwangau, in dem Ludwig aufwuchs, vor den Toren von Füssen. Die Stadt im «Königswinkel», wo der Lech die Nordalpenkette durchbricht und an alten Handelswegen schon ein Kastell für römische Legionen stand, hat ein interessantes Innenleben. Viele Namen erinnern an die Wittelsbacher, die der Stadt neuen Aufschwung brachten. Ludwig sorgte mit seinen Bauten nicht nur für Arbeit, er gründete sogar eine Krankenunterstützung mit Lohnfortzahlungen, die er aus seiner Privatschatulle beglich. Das Träumen geht weiter, denn wie waren des «Kinis» Worte? «Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und den anderen.»