Stadt, Land, Geld – ein Besuch am Starnberger See

Herren, die in handgewachsten Jacken und Hosen aus breitem Cord Hunde von edlem englischen Geblüt ausführen; Dampferfahrten, die an Schlössern von Sissy & Co. anhalten; Bootsstege, auf denen man nicht über Kähne und Fische, sondern über Geschäfte von Konzernen und internationale Großkanzleien parliert: Wir befinden uns am Starnberger See.

Doch er ist längst eingenommen von Leuten, die in der Stadt Geld verdienen, viel Geld. Sie schaffen sich rund um den See der Würm ihr Gegenbild zur Stadt – mit Künstlerkolonien, Golfplätzen, teuren Privatkliniken, feinen Internaten und Restaurants, die Landspezialitäten bieten. Natürlich äußerst erlesen.“Das ist so ein richtiger Traumtag heute, mit so nem besonderen Wetter: Sturm, Regen, also so hab ich mir’s eigentlich nicht vorgestellt lacht.“

Es ist der 67. Geburtstag von Siegfried Andrä aus Berg am Starnberger See. Wie an jedem anderen Werktag zu Sonnenaufgang bricht der Fischer mit den auffallend kräftigen Händen auf zu seinen Netzen. Die legt er immer am Wochenbeginn aus.

„Den See kennen schon viele so, aber die gehen dann nicht raus! Die bleiben schön brav zuhause und in der Früh wie jetzt, 6 Uhr, im Bett, und sind nicht draußen am See und müssen da bei Wind und Sturm jetzt an die Netze ziehen und ihre Arbeit machen.“

Eine einsame Gestalt in einem langen Boot. Bald verschluckt sie die Dämmerung.

„Es ist einfach sehr, sehr schön, am Land zu leben.“

Von der Dachterrasse ihrer Villa in vornehmster Lage Starnbergs kann Iris Ziebart hinunter auf den See blicken.

„Land ist für mich ganz klar dieses Erleben von Jahreszeiten, dieses elementare Erleben von Wetter wie zum Beispiel heute auch, es kübelt und aber auch eben wenn die Sonne über dem See aufgeht, das kann man eigentlich nur hier am Land so erleben. In der Stadt nimmt man das nur partiell wahr. Es riecht hier ganz anders und das Wasser ist wunderbar, morgens um 6 schwimmen gehen – das ist schon der Traum.
Heute?
Nein, heute nicht.“

Iris Ziebart zog nach ihrem Architekturstudium an den Starnberger See und gründete eine Familie.

„Die Kinder wachsen hier wirklich unter einer Käseglocke auf. Hier ist es sicher, hier ist es schön, hier ist es relativ sauber, ordentlich, es geht allen wahnsinnig gut, und die lernen überhaupt nicht das Leben kennen, wie es sich eigentlich für 90 Prozent der restlichen Republik eben anfühlt.“

Eine heile Welt mit vielen Alarmknöpfen. Zum Beispiel gleich neben Iris Ziebarts Schreibtisch. Den hat mal ein Elektriker aus Versehen berührt.

„Dann standen sie wirklich alle hier rund ums Haus, und das war die Hölle.“

Sie müsse jetzt endlich mal ein Bild vor das Ding hängen, sagt die Dame in der Designerbluse betont locker.

„Das war einfach die Vorgabe der Firma meines Mannes. Ja es gibt hier einfach einige Leute, die hier einfach ein erhöhtes Sicherheitsrisiko eingestuft werden, und dann wird sowas halt installiert. Viele Leute haben auch Angst sowieso, hier …“

Iris Ziebarts Mann ist der Vorstandschef von Infineon. Als Wohngegend für Leute seiner Kreise ist der Starnberger Sees bekannt. Speziell sein Westen, der gut erschlossen ist, mit dichter Infrastruktur von Geschäften, Sicherheitsdiensten und Psychologen, mit Bundesstraße, Zug und S-Bahn und sogar mit einer eigenen Autobahn. Schnell und effizient ist München-City erreichbar; wer innerhalb der Stadt ungünstig wohnt, braucht dafür länger als die halbe Stunde von Starnberg.

„Die Zugezogenen sind das halt, da gibt’s keine Begriffe, also wir sind net in Garmisch, da wo sie dann bloß von die Neureiche reden und das, das hammer net, das brauchen mer net.“

Siegfried Andrä ist vom Fischen zurückgekehrt. Sein Boot, das triefnasse Ölzeug und den Fang hat er mit ein paar routinierten Griffen verstaut und kommt gleich ins Erzählen. Auch von seiner langen Ortsansässigkeit. Die adelt ihn.

„Unser Betrieb hier, unter dem Namen Andrä, sind wir seit 1796 am See. Wir sind hier, im Moment 8. Generation, die hier arbeitet, lebt.“

Sein Fischverkauf floriert vor allem, wenn im Sommer bei schönem Wetter Ausflügler kommen. Die Städter, die in seinem Dorf wohnen, arbeiten meistens in der Stadt und kaufen ihren Fisch auf dem Viktualienmarkt.

„Ja! Ja, es ist so. Oder beim Niederreuter in der Großmarkthalle. Also es ist nun so. Das ist wirklich traurig, aber – sind wenige, es ist nur ein Teil der Leute, die wo das auch schätzen, hier zu wohnen und hier mit den Leuten, die wo hier sind, umzugehen.“

Die Funkstille zwischen Zugezogenen und Alteingesessenen ist bekannt aus vielen Gegenden in Großstadtnähe. Aber am Starnberger See kommt zu diesem kulturellen Unterschied der im Wohlstand. Nirgends sonst in Deutschland wohnen so viele Millionäre. Kaiserin und Könige, Grafen und Großindustrielle hatten oder haben am See mit dem Alpenblick ihre Anwesen. Und sie formen mit ihrem Geschmack und ihrem Geld die Landschaft. Statt Getreidefeldern breiten sich Golfplätze aus. Statt Gemüsegärten liegen kunstvolle Parks um die Häuser. Der Jugend bieten sich erlesene Internate an, den Alten üppige Seniorenresidenzen anstelle enger Austragshäusl. Am Starnberger See gibt es mehr Villen und Schlösser als Bauernhöfe. Im Grunde tut er nur so, als sei er natürliche Landschaft. Ein Themenpark „Land“ ist er geworden – wurde so geformt von und für Städter. Die stylen sich selbst im gehobenen Land-Look, mit Hosen aus breitem Cord, handgewachsten Jacken und feinen englischen Rassehunden. Anders als Disneyland ist dieser Themenpark sogar bewohnbar.

„Die Besonderheit des Starnberger Sees und der umgebenden gebauten Landschaft ist ganz klar diese Villenlandschaft, die hier eben immer noch existiert. Un die ist sicherlich einmalig in Europa, und die gilt es klar auch als kulturelles Erbe zu erhalten.“

Deshalb hat sich Iris Ziebart als Kandidatin für den Stadtrat aufstellen lassen. Es war ein Knüller in Starnberg: Jemand aus ihren Kreisen macht Kommunalpolitik, mischt sich unter das Volk. Prompt wählten die Bürger die Frau ohne Hausmacht und ohne Rückhalt in einer Partei.

„Klar gab es da natürlich Diskussionen im Vorfeld, es wäre doch Lebenszeit, die man da doch opfert. Aber Architektur ist ne sehr öffentliche Aufgabe, das ist einfach mein Profession.“

Nun ist sie Stadtplanungsreferentin. Dabei nennt sie als Hauptthema nicht etwa, dass es für Normalverdiener kaum erschwinglichen Wohnraum gibt. Auch nicht, dass tagsüber ein ständiger Stau von Autos den Ortskern unerträglich macht. Zu den wichtigsten Errungenschaften ihrer Amtszeit zählt sie die Verschönerung einiger Unterführungen. Außerdem wünscht sie sich eine hübsche Uferpromenade. Es geht ihr um die Schönheit des Landes am See, um ästhetische Momente.

„Ganz klar, aber – die machen die Qualität hier aus. Und die Qualität ist einfach ein Wirtschaftsfaktor. Wovon will Starnberg in Zukunft leben? Und dann würde sich doch sehr wohl anbieten, dass dass vielleicht die Chinesen als Touristen hierher kommen und ihr Geld dann hier liegenlassen.“

Dabei ist oft umstritten, was ästhetisch ist, je astronomischer die Grundstückspreise, desto heftiger und desto öfter mit teurer Schützenhilfe aus der Stadt.

„Ganz klar, wenn es um Bauvorhaben im Seeufer-Bereich oder in größeren Grundstückslagen geht, dann sitzt häufig eben ein Anwalt einer der großen Kanzleien Münchens mit im Zuschauerraum.“

An den Ufern ist der Starnberger See am reichsten und am städtischsten. Jemand wie Siegfried Andrä dagegen hat sein Haus möglichst weit weg vom Wasser.

„Es ist ja so, es ist ja eine Geschichte, dass man früher gesagt hat, die armen Leute wohnen am See, und wer es sich a bisschen leisten kann, wohnt oben, und das hat auch einen bestimmten Grund. Früher ham die Leute noch im Strohsack geschlafen, und wenn der im Winter ohne Heizung klamm, feucht und schimmlig wurde, dann war das das ungesündeste Eck, wo man sein konnte, am Wasser waren nur Siedlungen.“

Das Haus von Anatol Regnier trennt nur ein Weg und der idyllische Privatstrand vom Wasser. Der Schriftsteller und Gitarrist hat sich das Dachgeschoß seines jahrhundertealten Bauern-Anwesens ausgebaut, mit einem gemütlichen Schwedenofen und einem Dutzend Fenstern. Auf der einen Seite geht die Aussicht auf den See, auf der anderen Seite auf einen Hügel, unbebaut, nur Wiese mit Obstbäumen und grasenden Kühen. Vom Balkon schweift der Blick auf die Alpen.

„Wir sitzen hier bei offenem Fenster, wir hören nichts! Fährt kein Auto, wir hören gerade mal ein paar Vögel zwitschern, vielleicht mal Kuh ne muhen, das ist es! Land. Wie mehr kann man Land haben. Stille! Vegetation, Natur …“

Anatol Regnier hat lange in Hamburg gewohnt und war viel in Israel, lebte ein Jahrzehnt in Australien und hat auch noch eine Wohnung in München. Dort verdient er sein Geld. Schon seine Aussprache weist ihn aus als einen Mann von Welt.

„Meine Mutter ist die Tochter von Frank Wedekind. Und Frank Wedekind, der hatte einen Fimmel, der hatte einen Deutlichkeitsfimmel. Der hat so deutlich gesprochen, dass die Leute schon gedacht haben, er nimmt sie auf den Arm! Warum spricht dieser Mann so, haben die sich gefragt, aber auch auf der Bühne hat er so gesprochen, und dahinter war der Gedanke, wer deutlich spricht, der denkt auch deutlich. Also. Und das hat meine Mutter übernommen. Die hat ihren Vater ungeheuer verehrt, und hatte auch diese überdeutliche Aussprache. Und das haben wir als Kinder irgendwie internalisiert.“

Trotzdem kann sich jemand wie Anatol Regnier am Starnberger See in Bayern zuhause fühlen.

„Ich zähl mich zu denen, die total hierher gehören. Weil ich bin ja hier geboren, bin hier aufgewachsen, und vor allen Dingen hab ich einen ungeheuren Bezug dazu.“

In einem seiner Bücher beschreibt er den lebhaften Künstlerhaushalt, in dem er groß wurde. Um dem Bombenhagel in München am Ende des II. Weltkrieges zu entfliehen, war seine Familie in den Sommersitz zweier kunstsinniger Schwestern geflüchtet. Sie blieb und wurde immer größer. Kollegen und Freunde der Eltern, Bühnenkünstler und Literaten von überall her, gaben sich die Klinke in die Hand. Gegenüber dem Ufer des Mammons im Westen gilt der Osten als das Ufer der Musen. Anatol Regnier befindet sich in Ambach unter seinesgleichen. Die Nachbarn sind Schriftsteller, Wissenschaftler, Publizisten; zwei Häuser weiter führt sein alter Freund, der Schauspieler Sepp Bierbichler, das elterliche Wirtshaus fort. Es ist exakt abgestimmt auf den Geschmack von Städtern, die es zwischen Sushi und Tapas auch gerne mal exquisit Bairisch mögen. An sonnigen Sommersonntagen rangeln sich die Ausflügler dort mit städtischer Aggression um Plätze, und auf dem Bootssteg wird nicht über Kähne und Fische, sondern über Geschäfte von Konzernen und internationale Großkanzleien parliert.

„Es wird alles zugeparkt, und ein Porsche jagt den anderen, und – ja mei, was soll ich machen, es ist halt so. Ich kümmer mich da nicht drum. Wir haben unseren eigenen Strand, da merkt man nichts, da gehen halt ein paar Leute vorbei, ja, wir haben es so gut, wir können es nicht besser haben.“

Auch zwischen den Städtern gibt es feine Unterschiede. Der Starnberger See ist aristokratisch. Anatol Regnier gehört zum Künstler-Adel, ebenso wie Loriot oder einst Regniers Firmpate, Graf Pocci, im Nachbardorf.

„Es ist hier ein reges gesellschaftliches Leben. Und dann ist ja da Ammerland, da kenn ich auch viele Leute, da war meine Mutter schon bei den Grafen Pocci in den 20er Jahren und 30er Jahren, und da gibt es auch so ne alte Struktur von Familien, die schon seit vielen Generationen da sind und sich halt untereinander kennen. Der Wilhelm Kempf, große Pianist, der hat da lange gewohnt, Tochter mit mir in eine Klasse, Diana Kempf, wurde auch bekannte Literatin; in 60er und 70er Jahren, naja da kamen zum Kempf kam Menuhin zu Kempf und Pierre Fournier usw., musikalisch kamen Weltberühmtheiten nach Ammerland und das war auch schön …“

In seinem Dorf Ambach machen es viele wie er – verbringen vor allem die Wochenenden und die Urlaube dort. Die Gesellschaft trifft sich beiläufig. Außer an Silvester.

„Jeder feiert in seinem Haus. Aber um Mitternacht, zum Jahreswechsel sind alle am Dampfersteg. Und da kann man sich wirklich drauf verlassen, dass auch alle kommen. Und bringen dann irgendwelche Kracher mit, jeder hat ne Pulle Sekt dabei, und dann ist es immer eine wunderschöne Sache, weil man sieht am ganzen See die Raketen, ja, und dann wird da zugeprostet, und da trifft man wirklich alle. Und dann hinterher geht man noch in verschiedene Häuser und ist noch zusammen. Und wenn ich sage ‚ganz Ambach trifft sich‘, das stimmt. Aber die ganz alt eingesessenen Familien, die Bauern- und Fischerfamilien, die kommen da nicht hin.“

Manchmal findet die Künstleraristokratie aber auch mit der der Bauern zusammen. Sein Haus zum Beispiel bekam Anatol Regnier von einer kinderlosen, aber landreichen alten Bäuerin geschenkt. Das Schwarz-Weiß-Foto der Liesl vor ihrem altertümlichen Herd, die Hände und Füße dick von der Arbeit, hängt gleichberechtigt neben Bildern von Frank Wedekind und Anatol Regniers Eltern.

Als Kind habe er Bayerisch gesprochen, erinnert sich Anatol Regnier, und wie die anderen Buben in der Volksschule habe er Lederhosen getragen.

„Jetzt scheue ich mich, Bayerisch zu sprechen, weil es eine gewisse Sprachgrenze gibt, die ich auch nicht überschreiten möchte. Also ich habe den Eindruck, dass echte Bayern, die ja – ich will nicht sagen, eine aussterbende Rasse, aber doch in diesem sehr bunt gemischten Ambach eine Rarität darstellen -, dass die es nicht gerne haben, wenn einer wie ich, obwohl der hier geboren ist, jetzt ihnen zu nahe tritt. Es wird mich auch nie jemand, das kann ich hoch und heilig versprechen, in irgendeinem Trachtenjanker oder einer Landhausmode oder in irgendetwas derartigem sehen. Das find ich eine Grenze, die muss man respektieren, und das mach ich auch.“

„Ne, also wissen Sie, ich wenn nach Afrika fahr, ich würde auch nicht im Lendenschurz rumlaufen.“

Siegfried Andrä achtet sehr auf die Tradition. Wobei die – wie immer – der Gegenwart gehört und nicht der Vergangenheit. Zum Beispiel das Fischen. Seine Vorfahren mögen es seit Jahrhunderten ausgeübt haben – als Betreiber eines Bauernhofs mit Vieh, Äckern und eben auch Fischerei.

„Da war die Landwirtschaft die Hauptarbeit und da ist man nur im Winter zum Fischen gegangen, wenn einfach Zeit war, wenn die Landwirtschaft ruhig war, da ist man zum Fischen gefahren, im Januar / Februar, und dann im Sommer immer in der Pause zwischen der Heuarbeit und der Getreidearbeit. Das san so fünf, sechs Wochen, da ist man dann im Sommer zum Fischen gange, aber da war die Fischerei in einer Form, mit primitivsten Material, mit Netzen, das waren Baumwollnetze und das war Zufall, wenn da ein Fisch hängeblieben ist.“

Erst das reißfeste Perlonnetz machte aus der Pausenfüller-Tätigkeit einen lohnenden Betriebszweig.

„Der erste große Fischfang, wo ich mich erinner, das war 1957. Aber das lag nur daran, dass wir plötzlich Netze hatten, die wo fischen konnten.“

Heute wirkt die Räucherei wie ein schöner, alter Brauch. Die Landwirtschaft haben die Andräs längst aufgegeben und die Fischerei zum Hauptgeschäft gemacht. Siegfried Andräs Sohn hat die Fischerei übernommen. Als Traditionsbetrieb. Sein Geld verdient er allerdings als Bootsbauer, und auf den See fährt der Vater.

„Von Fischerei kann man net leben. Das ist nur ein Anteil. Ich hab es früher genauso gemacht. I hab Fischerei gemacht, und am Nachmittag in die Arbeit und noch gearbeitet, weil anders ist das überhaupts net gange.“

Er hat Schreiner gelernt und wie sein Sohn Boote repariert. Seine Frau arbeitet bis heute als Krankenschwester. Aber als Fischer ist Siegfried Andrä Aristokrat. Den Beruf darf nur jemand ausüben, der dazu ausgebildet ist, und der eine Erklärung vom Notar mitbringt, dass er eine der Fischereien übernimmt.

„Das hat nicht jeder. Ich und meine Kollegen hier am See, wir sind noch 34 Berufsfischer, wir haben einen Beruf und Arbeit, die wo nicht jeder machen hat, und ich kann meine Arbeit einteilen wie ich will, ich bin mein eigener Herr.“

Bei den Städtern auf dem Land kommt der kernige Traditionsberuf gut an. Ein See braucht Fischer, so wie das Feld Früchte, Disneyland die Mickey Mouse und das Dorf seinen Maibaum.

„Alle fünf Jahre wird hier in Holzhausen der Maibaum aufgestellt. Und das war 2005 das letzte Mal hab ich sehr genossen. Die ham das alles von Hand gemacht, also Manneskraft ist da gefordert, mindestens 50 Männer, haben sie sehr, sehr schön gemacht.“

Mitgehoben hat Anatol Regnier zwar nicht. Aber er hat seinen Beitrag geleistet.

„Nur zugeschaut, aber mit Vergnügen zugeschaut, und dann einen Artikel darüber, Beschreibung fürs Gemeindeblatt, geschrieben.“

Auch Siegfried Andrä weiß jemanden aus der Stadt für seine Zwecke einzuspannen, Aristokraten unter sich: König Ludwig II. Allmorgendlich fährt der Fischer mit seinem Boot an jener Stelle vorbei, an der der „Kini“ 1886 tot aufgefunden wurde. Dort steht jetzt eine Gedächtniskapelle, oft umlagert von filmenden Japanern und selbstmordgefährdeten Britinnen in Sissi-Tracht.

„Ja, ich mach da meine Ehrenbezeugung. Hoff, dann fang ich mehr Fisch!“

Aber wird es die Japaner und die anderen auch verwundern? Wahrscheinlich nicht. Die meisten Touristen reisen ja schon mit dem Sissy-Bild an. So wie die Städter, die sich hier ansiedeln, auch ihre Bedürfnisse und Erwartungen mitbringen und am Uferrand sichtbar aufstellen.

Quelle: Deutschlandradio